16.09.2017, 03:03
Nachruf: Otto Wanz
* 13.06.1943, Nestelbach bei Graz / Österreich
+ 14.09.2017
Die 1970er und 80er Jahre waren für die Wrestling-Szene der damaligen Bundesrepublik eine wahre Erfolgsgeschichte gewesen. Monatelange stark besetzte Turniere mit vielen internationalen [lexicon]Stars[/lexicon] des Wrestlings verbunden mit oftmals total ausverkauften Hallen/Zeltbauten. Große Legenden wie Axel Dieter Senior, René Lasartesse und schließlich „Big“ Otto Wanz dominierten diese Epoche, die es so vermutlich nie wieder geben wird. Illusionen und Hoffnungen, wonach man heute noch vom Catchen sprechen könnte, sind mit dem Ende von Wanz' CWA Ende der 1990er Jahre wirklich illusorisch geworden. Im bald dreißigsten Jahr des deutschen Independent Wrestlings (1988 Gerd Völlink) lässt sich diese Szene nicht mal ansatzweise mit dem Vergleichen, was damals in der Ära Wanz wirklich passierte. Diese Ära war gekennzeichnet von einem enormen Interesse am Berufsringkampf, der gerade seine letzte Boomphase in Mitteleuropa erlebte. Damals bildeten die Wörter „Leidenschaft“ und „Catchen“ eine Einheit, die man in den Veranstaltungsorten deutlich spürte. Otto Wanz drückte dem Catchen ab Anfang der 1970er Jahre mit seiner enormen Präsenz seinen Stempel auf, so dass man hier mit Fug und Recht von einer wahren „Ära“ sprechen kann. Stieg Wanz in den Catcher-Ring, dann war die Bremer Stadthalle bis zum Bersten voll. Dort hatten gut 10.000 Menschen Platz! In Hannover war der Schützenplatz vor lauter Catch-Fans kaum wiederzufinden. Die Grazer Eissporthalle platzte aus allen Nähten und die Dortmunder Westfalenhalle bebte vor Beifallsstürmen. Es war in Dortmund wo Otto Wanz unglaubliche vierzehn Turniersiege zwischen 1972 und 90 einheimste. Von Mitte der 60er Jahre an war diese Stadt im damaligen „Ruhrpott“ nämlich mal eine wirkliche Hochburg des Catchens gewesen. Einst hatte sich Wanz in seiner österreichischen Heimat der Steiermark dem Boxen zugeschrieben, bis er sich 1968 den Berufsringern anschloss. Dem Lauf einer großen Karriere folgend ging es von unten nach oben. Bald sah man ihn auf dem bekannten Wiener Heumarkt auftreten, gefolgt von einer ersten Tournee als Catcher nach Deutschland unter dem Einfluss des heute wohl vergessenen Promoters Nicola („Nico“) Selenkowitsch, der einst selbst mal lange im Ring aktiv war. Im Sommer 1970 trat Wanz noch beim Turnier in Wien auf, das von dem Engländer Jan Campbell gewonnen wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte man in den deutschen Catch-Hochburgen Bremen, Dortmund und Hannover noch nicht viel von dem späteren CWA Weltmeister gehört, der sich den Status einer Jahrhundertgestalt im Wrestling in Europa des 20. Jahrhunderts verdient hatte. Dieser Status ist heute umso einmaliger, als das Wanz wirklich einer der letzten Großen seines Standes war. Nico war wieder auf der Suche nach neuen Catchern für seine boomende Szene in Bremen (seit 65) und Dortmund (seit 68). Es erfolgte die Vertragsunterzeichnung bei Selenkowitsch womit die Karriere von Otto Wanz nunmehr auch in Deutschland startete. Drei Jahrzehnte lang war Wanz nun zum Synonym des Catchens geworden. Im September 1970 debütierte er in Dortmund und trat dann beim nachfolgenden Turnier in Bremen auf (ab dem 27.11.1970). Die Erfolge in dieser Zeitspanne sprechen für sich:
9x Turniersieger in Bremen zwischen 1972 und 78
14x Turniersieger in Dortmund zwischen 1972 und 90
4x Turniersieger in Wien zwischen 1984 und 90
3x Turniersieger in Graz zwischen 1973 und 77
5x Turniersieger in Linz zwischen 1974 und 89
4x Turniersieger vom Hannover Welt-Cup zwischen 1985 und 89
CWA World Champion ununterbrochen von Juli 1978 bis März 87
1982 AWA World Champion (Fehde gegen Nick Bockwinkel)
Bis Wanz 85 erstmals den Hannover Welt-Cup gewann, das damals längste Turnier überhaupt im weltweiten Professional Wrestling, hatte er sich mit einer Vielzahl von Champions und anderen Wrestling-Legenden zu messen: Iwan Strogoff, Don Leo Jonathan, Billy Samson und Jan Wilkens. Mit der „Fehde“ gegen Strogoff hatte damals im Prinzip alles angefangen. Das war aber noch Zeiten als man in Deutschland die Begriffe „kayfabe“, „Storylines“ und „Smart Mark“ nicht kannte. Zu Beginn der 1970er Jahre dominierten Wanz, Strogoff und Jean-Louis Breston die Shows von Selenkowitsch. Der baldige CWA World Champion konnte am Anfang natürlich noch nicht als großer Sieger gespusht werden. Also gewann Iwan Strogoff Ende 1971 die Europameisterschaft in der hoffnungslos ausverkauften Bremer Stadthalle. Auch das im Frühjahr 72 in Dortmund ausgetragene Turnier gewann wieder Strogoff. Es war allerdings das Jahr indem die Karriere von Wanz mächtig an Fahrt zulegte. Der Zeitpunkt für den Push seines Lebens durch seinen Mentor Selenkowitsch war gekommen. Am 30. April 1972 drängten sich wieder Tausende Zuschauer zum Endkampf im „Catch-Cup der Nationen“ in Bremen. Das war aber noch nicht der später bekannte CWA Catch-Cup. Nico veranstaltete unter dem IBV [lexicon]Banner[/lexicon] erst nach dem Rücktritt von Gustl Kaiser in den späten 70er Jahren. Dieser 30. April 1972 war für Wanz ein entscheidender Tag seiner Karriere: endlich konnte er seinen harten Kontrahenten Iwan Strogoff auf die Matte befördern und seinen ersten Turniersieg überhaupt erringen. Nico baute Wanz in der Folgezeit immer mehr zum Topstar auf, der nun mit der Konkurrenz, die damals nicht gerade klein war, gut mithalten konnte. Die anderen Lager der Berufsringer/Catcher dominierten in den 1970er Jahren an vorderster Stelle der Promoter Gustl Kaiser mit seinem IBV Topstar Horst Hoffmann, in Hannover veranstaltete Edmund Schober und Paul Berger war der grandiose Turnierleiter des VDB in Berlin. Sven Hansen veranstaltete ab 1973 die großen Turniere in Hamburg. Ende 72 war wieder so eine Phase wo die Bremer Stadthalle vor lauter Catch-Fans fast zu platzen drohte. Das Finale im „Catch World Cup 72“ stand bevor: Wanz gegen Strogoff. Erneut konnte Otto Wanz seinen oftmaligen Kontrahenten besiegen, und wieder einen Turniersieg einheimsen. Es dauerte nicht lange bis Wanz auch beim größten deutschen Wrestling-Promoter Gustl Kaiser unter Vertrag stand. Ab 1974 trat er in den Turnieren des „Internationalen-Berufsringkämpfer-Verbandes (IBV)“ auf, der die deutsche Catch-Szene dominierte, auch wenn Kaiser sein Metier lieber „Freistil-Berufsringkampf“ nannte. Es war die Hochphase des deutschen Wrestlings mit Gustl Kaiser an der Spitze. In Münster erreichte Wanz 1974 immerhin schon Platz 2 hinter Roland Bock bei der IBV Europameisterschaft. Otto Wanz verkörperte bereits eine neue Generation von Catchern, die die Ära nach Gustl Kaiser maßgeblich beeinflussten. Dieser Aspekt wurde mit dem „Großen Preis von Bayern 1976“ in München noch ersichtlicher. Gustl Kaiser veranstaltete sein letztes großes Turnier mit Horst Hoffmann als Sieger. Allmählich war das Bild des ewigen Siegers Hoffmann außer Mode gekommen. Gefühlt von den Siegen her gewann Hoffmann wohl die meisten Turniere im deutschen Catchen des 20. Jahrhunderts. Die Szene brauchte neue Impulse, die jetzt von neuen und jüngeren Catchern kamen. Am 25.10.1975 unterlag Hoffmann gegen Wanz beim Endkampf im Turnier in München.
1976/77 war ein Wendepunkt in der Geschichte des Catchens in Mitteleuropa. Das Ende der Ära Gustl Kaiser war verbunden mit dem Auftauchen der CWA, die anfangs als „Canadian Wrestling Association“ einen Titel darstellte, hinter dem in Wirklichkeit noch keine eigenständige Liga stand. Aber die große Ära des IBV, der damals auch CWA Meisterschaften veranstaltete, war mit dem Rücktritt von Gustl Kaiser zu Ende gegangen. Nico übernahm ab 77 die führende Position als IBV Veranstalter und avancierte quasi zum „Kaiser Nr. 2“. An die Erfolge seines Vorgängers aber kam keiner danach jemals mehr heran. Der CWA World Title wurde anfangs außerhalb von Deutschland und Österreich aufgebaut. Im Mittelpunkt stand die Tournee von Wanz nach Südafrika 1977. Zunächst gelang Wanz der entscheidende Sieg gegen Jan Wilkens wonach er erstmals den „CWA World Heavyweight Title“ gewann. Hinter CWA verbarg sich „Canadian Wrestling Association“, eine Bezeichnung die später in den Turnieren aber nicht mehr auftauchte. Man pushte Wanz größtenteils als „CWA Champion“. Später, als die Liga dann ab 1985 reell und nicht mehr nur als Titel existierte, verwendete man die Bezeichnung „Catch Wrestling Association“. Für die allermeisten aber war es einfach die CWA, und die Bedeutung um ihre Entstehung blieb damals im Dunkeln. Man hatte eine perfekte Storyline initiiert, wonach Wanz den CWA Titel noch in Südafrika verlor, um ihn dann in einem großen Titelkampf in seiner Heimat Graz wiederzugewinnen. Sein harter Gegner in dieser frühen Phase der CWA Geschichte hieß Don Leo Jonathan, der Wanz am 01.09.1977 in Johannesburg um den Titel besiegen konnte. Nun wurde über Monate ein Rückkampf (dritter Kampf nach Durban und Johannesburg 1977) gepusht der schließlich am 15.07.1978 in Graz ausgetragen wurde. Es war einer der wichtigsten Tage in der Karriere von Otto Wanz. Nach 55 Minuten gelang ihm der entscheidende Sieg gegen Jonathan. Endlich hielt er „seinen“ CWA Titel in den Händen. 8 Jahre und 8 Monate währte seine zweite Titelregentschaft bis zur Fehde gegen Bull Power Leon White (Vader) im Frühjahr 87. Jonathan verlor auch den vierten und letzten wichtigen Kampf gegen CWA Champion Wanz im Juli 1980 in Graz. In den 80er Jahren verteidigte Wanz seinen Titel etliche Male gegen eine Vielzahl von Herausforderern. In diesem Jahrzehnt waren seine größten Gegner u.a. Nick Bockwinkel, André the Giant, der knallharte Leon White (Vader) und [lexicon]the Great Kokina[/lexicon] ([lexicon]Yokozuna[/lexicon]). Gegen Vader bestritt Wanz in den späten 80er Jahren eine ganze Matchserie. Am 19.12.1987 erlebte die deutsche Catch-Geschichte einen ihrer größten Kämpfe: Wanz gegen André the Giant. Rund 10.000 Zuschauer verfolgten die CWA Weltmeisterschaft in der Bremer Stadthalle. Kurz vor Mitternacht fiel die Entscheidung als André ausgezählt wurde, und der Titel somit bei Wanz blieb. Bis zu seinem Rücktritt als CWA World Champion 1990 hatte Wanz diesen Titel insgesamt vier Mal gewonnen. Einer der vielen Höhepunkte in seiner Karriere waren sicher auch die beiden USA Tourneen 1982 und 87. Ende 81 initiierte Nico wohl mit den größten Erfolg seiner Laufbahn als Promoter in Deutschland, als er den AWA World Champion Nick Bockwinkel und AWA Promoter Verne Gagne nach Bremen einlud. Der Kampf Wanz gegen Bockwinkel in der brechend vollen Stadthalle endete im Unentschieden. 82 ging Wanz erstmals auf USA Tournee und bestritt zwei wichtige Kämpfe gegen Bockwinkel in St. Paul und Chicago; 87 war sein Gegner in Denver/Colorado kein geringerer als Bull Power Leon White.
Sich als Weltmeister im Ring über viele Jahre zu behaupten und dazu noch als wichtiger Promoter in die Geschichte einzugehen, das hat Otto Wanz in seiner langen Laufbahn zweifelsohne geschafft. 1986 zog sich Nico aus dem aktiven Business in Bremen und Dortmund zurück. Otto Wanz hatte mittlerweile mit dem langjährigen Turnierleiter Peter William die CWA als boomende Wrestling-Liga etabliert. In seiner ersten Hochburg Graz, wo Wanz seit 1972 veranstaltete, war die Eissporthalle oftmals restlos ausverkauft, wenn der Catch-Cup wieder losging. Hier lag der Beginn von Wanz' ebenfalls langer Laufbahn als Promoter, die über ein Vierteljahrhundert weilte. Ende der 60er Jahre war die Catch-Szene in Graz im freien Fall und kaum jemand erschien noch zu den Kämpfen. Das Turnier im Juni 1970 wurde sogar ohne Sieger beendet. Zwei Jahre mussten die Grazer Zuschauer warten, bis Wanz dann den riskanten Schritt wagte und ein Turnier organisierte. Den ersten überhaupt von Wanz veranstalteten Catch-Cup gewann Anfang Juli 72 Iwan Strogoff. Tendenziell brachen die Zuschauerzahlen in Bremen und Dortmund nach Nico's Rücktritt ein. Den riesigen Erfolg wie einst unter ihm, Kaiser und Schober konnte auch die CWA in den 1990er Jahren nicht mehr toppen. Die ausländische Konkurrenz der WWF/E ließ eine erneute Zeitenwende in der Geschichte des deutschen Wrestlings anbrechen. Auch die Ära des Independent Wrestlings begann hierzulande mit dem 2001 verstorbenen Gerd Völlink. Ende der 1990er Jahre waren die Zuschauerzahlen so gering, das Wanz die „letzte Catch-Bastion Bremen“, wie er damals im Weser-Kurier selbst schrieb, aufgab und die CWA ihrem Ende zuging. Die Karriere und der Einfluss von Otto Wanz lassen sich mit heutigen Maßstäben an die Szene in Mitteleuropa nicht mehr vergleichen. „Big Otto Wanz“ war nicht nur körperlich ein wahrer Gigant, sondern ist auch einer der wenigen „Großen“ im turbulenten Wrestling gewesen, die auf Dauer in Erinnerung bleiben werden. Die Catch-Szene war und wird immer mit seinem Namen verbunden bleiben. Am vergangenen Donnerstag ist Otto Wanz im Alter von 74 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit gestorben.
* 13.06.1943, Nestelbach bei Graz / Österreich
+ 14.09.2017
Die 1970er und 80er Jahre waren für die Wrestling-Szene der damaligen Bundesrepublik eine wahre Erfolgsgeschichte gewesen. Monatelange stark besetzte Turniere mit vielen internationalen [lexicon]Stars[/lexicon] des Wrestlings verbunden mit oftmals total ausverkauften Hallen/Zeltbauten. Große Legenden wie Axel Dieter Senior, René Lasartesse und schließlich „Big“ Otto Wanz dominierten diese Epoche, die es so vermutlich nie wieder geben wird. Illusionen und Hoffnungen, wonach man heute noch vom Catchen sprechen könnte, sind mit dem Ende von Wanz' CWA Ende der 1990er Jahre wirklich illusorisch geworden. Im bald dreißigsten Jahr des deutschen Independent Wrestlings (1988 Gerd Völlink) lässt sich diese Szene nicht mal ansatzweise mit dem Vergleichen, was damals in der Ära Wanz wirklich passierte. Diese Ära war gekennzeichnet von einem enormen Interesse am Berufsringkampf, der gerade seine letzte Boomphase in Mitteleuropa erlebte. Damals bildeten die Wörter „Leidenschaft“ und „Catchen“ eine Einheit, die man in den Veranstaltungsorten deutlich spürte. Otto Wanz drückte dem Catchen ab Anfang der 1970er Jahre mit seiner enormen Präsenz seinen Stempel auf, so dass man hier mit Fug und Recht von einer wahren „Ära“ sprechen kann. Stieg Wanz in den Catcher-Ring, dann war die Bremer Stadthalle bis zum Bersten voll. Dort hatten gut 10.000 Menschen Platz! In Hannover war der Schützenplatz vor lauter Catch-Fans kaum wiederzufinden. Die Grazer Eissporthalle platzte aus allen Nähten und die Dortmunder Westfalenhalle bebte vor Beifallsstürmen. Es war in Dortmund wo Otto Wanz unglaubliche vierzehn Turniersiege zwischen 1972 und 90 einheimste. Von Mitte der 60er Jahre an war diese Stadt im damaligen „Ruhrpott“ nämlich mal eine wirkliche Hochburg des Catchens gewesen. Einst hatte sich Wanz in seiner österreichischen Heimat der Steiermark dem Boxen zugeschrieben, bis er sich 1968 den Berufsringern anschloss. Dem Lauf einer großen Karriere folgend ging es von unten nach oben. Bald sah man ihn auf dem bekannten Wiener Heumarkt auftreten, gefolgt von einer ersten Tournee als Catcher nach Deutschland unter dem Einfluss des heute wohl vergessenen Promoters Nicola („Nico“) Selenkowitsch, der einst selbst mal lange im Ring aktiv war. Im Sommer 1970 trat Wanz noch beim Turnier in Wien auf, das von dem Engländer Jan Campbell gewonnen wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte man in den deutschen Catch-Hochburgen Bremen, Dortmund und Hannover noch nicht viel von dem späteren CWA Weltmeister gehört, der sich den Status einer Jahrhundertgestalt im Wrestling in Europa des 20. Jahrhunderts verdient hatte. Dieser Status ist heute umso einmaliger, als das Wanz wirklich einer der letzten Großen seines Standes war. Nico war wieder auf der Suche nach neuen Catchern für seine boomende Szene in Bremen (seit 65) und Dortmund (seit 68). Es erfolgte die Vertragsunterzeichnung bei Selenkowitsch womit die Karriere von Otto Wanz nunmehr auch in Deutschland startete. Drei Jahrzehnte lang war Wanz nun zum Synonym des Catchens geworden. Im September 1970 debütierte er in Dortmund und trat dann beim nachfolgenden Turnier in Bremen auf (ab dem 27.11.1970). Die Erfolge in dieser Zeitspanne sprechen für sich:
9x Turniersieger in Bremen zwischen 1972 und 78
14x Turniersieger in Dortmund zwischen 1972 und 90
4x Turniersieger in Wien zwischen 1984 und 90
3x Turniersieger in Graz zwischen 1973 und 77
5x Turniersieger in Linz zwischen 1974 und 89
4x Turniersieger vom Hannover Welt-Cup zwischen 1985 und 89
CWA World Champion ununterbrochen von Juli 1978 bis März 87
1982 AWA World Champion (Fehde gegen Nick Bockwinkel)
Bis Wanz 85 erstmals den Hannover Welt-Cup gewann, das damals längste Turnier überhaupt im weltweiten Professional Wrestling, hatte er sich mit einer Vielzahl von Champions und anderen Wrestling-Legenden zu messen: Iwan Strogoff, Don Leo Jonathan, Billy Samson und Jan Wilkens. Mit der „Fehde“ gegen Strogoff hatte damals im Prinzip alles angefangen. Das war aber noch Zeiten als man in Deutschland die Begriffe „kayfabe“, „Storylines“ und „Smart Mark“ nicht kannte. Zu Beginn der 1970er Jahre dominierten Wanz, Strogoff und Jean-Louis Breston die Shows von Selenkowitsch. Der baldige CWA World Champion konnte am Anfang natürlich noch nicht als großer Sieger gespusht werden. Also gewann Iwan Strogoff Ende 1971 die Europameisterschaft in der hoffnungslos ausverkauften Bremer Stadthalle. Auch das im Frühjahr 72 in Dortmund ausgetragene Turnier gewann wieder Strogoff. Es war allerdings das Jahr indem die Karriere von Wanz mächtig an Fahrt zulegte. Der Zeitpunkt für den Push seines Lebens durch seinen Mentor Selenkowitsch war gekommen. Am 30. April 1972 drängten sich wieder Tausende Zuschauer zum Endkampf im „Catch-Cup der Nationen“ in Bremen. Das war aber noch nicht der später bekannte CWA Catch-Cup. Nico veranstaltete unter dem IBV [lexicon]Banner[/lexicon] erst nach dem Rücktritt von Gustl Kaiser in den späten 70er Jahren. Dieser 30. April 1972 war für Wanz ein entscheidender Tag seiner Karriere: endlich konnte er seinen harten Kontrahenten Iwan Strogoff auf die Matte befördern und seinen ersten Turniersieg überhaupt erringen. Nico baute Wanz in der Folgezeit immer mehr zum Topstar auf, der nun mit der Konkurrenz, die damals nicht gerade klein war, gut mithalten konnte. Die anderen Lager der Berufsringer/Catcher dominierten in den 1970er Jahren an vorderster Stelle der Promoter Gustl Kaiser mit seinem IBV Topstar Horst Hoffmann, in Hannover veranstaltete Edmund Schober und Paul Berger war der grandiose Turnierleiter des VDB in Berlin. Sven Hansen veranstaltete ab 1973 die großen Turniere in Hamburg. Ende 72 war wieder so eine Phase wo die Bremer Stadthalle vor lauter Catch-Fans fast zu platzen drohte. Das Finale im „Catch World Cup 72“ stand bevor: Wanz gegen Strogoff. Erneut konnte Otto Wanz seinen oftmaligen Kontrahenten besiegen, und wieder einen Turniersieg einheimsen. Es dauerte nicht lange bis Wanz auch beim größten deutschen Wrestling-Promoter Gustl Kaiser unter Vertrag stand. Ab 1974 trat er in den Turnieren des „Internationalen-Berufsringkämpfer-Verbandes (IBV)“ auf, der die deutsche Catch-Szene dominierte, auch wenn Kaiser sein Metier lieber „Freistil-Berufsringkampf“ nannte. Es war die Hochphase des deutschen Wrestlings mit Gustl Kaiser an der Spitze. In Münster erreichte Wanz 1974 immerhin schon Platz 2 hinter Roland Bock bei der IBV Europameisterschaft. Otto Wanz verkörperte bereits eine neue Generation von Catchern, die die Ära nach Gustl Kaiser maßgeblich beeinflussten. Dieser Aspekt wurde mit dem „Großen Preis von Bayern 1976“ in München noch ersichtlicher. Gustl Kaiser veranstaltete sein letztes großes Turnier mit Horst Hoffmann als Sieger. Allmählich war das Bild des ewigen Siegers Hoffmann außer Mode gekommen. Gefühlt von den Siegen her gewann Hoffmann wohl die meisten Turniere im deutschen Catchen des 20. Jahrhunderts. Die Szene brauchte neue Impulse, die jetzt von neuen und jüngeren Catchern kamen. Am 25.10.1975 unterlag Hoffmann gegen Wanz beim Endkampf im Turnier in München.
1976/77 war ein Wendepunkt in der Geschichte des Catchens in Mitteleuropa. Das Ende der Ära Gustl Kaiser war verbunden mit dem Auftauchen der CWA, die anfangs als „Canadian Wrestling Association“ einen Titel darstellte, hinter dem in Wirklichkeit noch keine eigenständige Liga stand. Aber die große Ära des IBV, der damals auch CWA Meisterschaften veranstaltete, war mit dem Rücktritt von Gustl Kaiser zu Ende gegangen. Nico übernahm ab 77 die führende Position als IBV Veranstalter und avancierte quasi zum „Kaiser Nr. 2“. An die Erfolge seines Vorgängers aber kam keiner danach jemals mehr heran. Der CWA World Title wurde anfangs außerhalb von Deutschland und Österreich aufgebaut. Im Mittelpunkt stand die Tournee von Wanz nach Südafrika 1977. Zunächst gelang Wanz der entscheidende Sieg gegen Jan Wilkens wonach er erstmals den „CWA World Heavyweight Title“ gewann. Hinter CWA verbarg sich „Canadian Wrestling Association“, eine Bezeichnung die später in den Turnieren aber nicht mehr auftauchte. Man pushte Wanz größtenteils als „CWA Champion“. Später, als die Liga dann ab 1985 reell und nicht mehr nur als Titel existierte, verwendete man die Bezeichnung „Catch Wrestling Association“. Für die allermeisten aber war es einfach die CWA, und die Bedeutung um ihre Entstehung blieb damals im Dunkeln. Man hatte eine perfekte Storyline initiiert, wonach Wanz den CWA Titel noch in Südafrika verlor, um ihn dann in einem großen Titelkampf in seiner Heimat Graz wiederzugewinnen. Sein harter Gegner in dieser frühen Phase der CWA Geschichte hieß Don Leo Jonathan, der Wanz am 01.09.1977 in Johannesburg um den Titel besiegen konnte. Nun wurde über Monate ein Rückkampf (dritter Kampf nach Durban und Johannesburg 1977) gepusht der schließlich am 15.07.1978 in Graz ausgetragen wurde. Es war einer der wichtigsten Tage in der Karriere von Otto Wanz. Nach 55 Minuten gelang ihm der entscheidende Sieg gegen Jonathan. Endlich hielt er „seinen“ CWA Titel in den Händen. 8 Jahre und 8 Monate währte seine zweite Titelregentschaft bis zur Fehde gegen Bull Power Leon White (Vader) im Frühjahr 87. Jonathan verlor auch den vierten und letzten wichtigen Kampf gegen CWA Champion Wanz im Juli 1980 in Graz. In den 80er Jahren verteidigte Wanz seinen Titel etliche Male gegen eine Vielzahl von Herausforderern. In diesem Jahrzehnt waren seine größten Gegner u.a. Nick Bockwinkel, André the Giant, der knallharte Leon White (Vader) und [lexicon]the Great Kokina[/lexicon] ([lexicon]Yokozuna[/lexicon]). Gegen Vader bestritt Wanz in den späten 80er Jahren eine ganze Matchserie. Am 19.12.1987 erlebte die deutsche Catch-Geschichte einen ihrer größten Kämpfe: Wanz gegen André the Giant. Rund 10.000 Zuschauer verfolgten die CWA Weltmeisterschaft in der Bremer Stadthalle. Kurz vor Mitternacht fiel die Entscheidung als André ausgezählt wurde, und der Titel somit bei Wanz blieb. Bis zu seinem Rücktritt als CWA World Champion 1990 hatte Wanz diesen Titel insgesamt vier Mal gewonnen. Einer der vielen Höhepunkte in seiner Karriere waren sicher auch die beiden USA Tourneen 1982 und 87. Ende 81 initiierte Nico wohl mit den größten Erfolg seiner Laufbahn als Promoter in Deutschland, als er den AWA World Champion Nick Bockwinkel und AWA Promoter Verne Gagne nach Bremen einlud. Der Kampf Wanz gegen Bockwinkel in der brechend vollen Stadthalle endete im Unentschieden. 82 ging Wanz erstmals auf USA Tournee und bestritt zwei wichtige Kämpfe gegen Bockwinkel in St. Paul und Chicago; 87 war sein Gegner in Denver/Colorado kein geringerer als Bull Power Leon White.
Sich als Weltmeister im Ring über viele Jahre zu behaupten und dazu noch als wichtiger Promoter in die Geschichte einzugehen, das hat Otto Wanz in seiner langen Laufbahn zweifelsohne geschafft. 1986 zog sich Nico aus dem aktiven Business in Bremen und Dortmund zurück. Otto Wanz hatte mittlerweile mit dem langjährigen Turnierleiter Peter William die CWA als boomende Wrestling-Liga etabliert. In seiner ersten Hochburg Graz, wo Wanz seit 1972 veranstaltete, war die Eissporthalle oftmals restlos ausverkauft, wenn der Catch-Cup wieder losging. Hier lag der Beginn von Wanz' ebenfalls langer Laufbahn als Promoter, die über ein Vierteljahrhundert weilte. Ende der 60er Jahre war die Catch-Szene in Graz im freien Fall und kaum jemand erschien noch zu den Kämpfen. Das Turnier im Juni 1970 wurde sogar ohne Sieger beendet. Zwei Jahre mussten die Grazer Zuschauer warten, bis Wanz dann den riskanten Schritt wagte und ein Turnier organisierte. Den ersten überhaupt von Wanz veranstalteten Catch-Cup gewann Anfang Juli 72 Iwan Strogoff. Tendenziell brachen die Zuschauerzahlen in Bremen und Dortmund nach Nico's Rücktritt ein. Den riesigen Erfolg wie einst unter ihm, Kaiser und Schober konnte auch die CWA in den 1990er Jahren nicht mehr toppen. Die ausländische Konkurrenz der WWF/E ließ eine erneute Zeitenwende in der Geschichte des deutschen Wrestlings anbrechen. Auch die Ära des Independent Wrestlings begann hierzulande mit dem 2001 verstorbenen Gerd Völlink. Ende der 1990er Jahre waren die Zuschauerzahlen so gering, das Wanz die „letzte Catch-Bastion Bremen“, wie er damals im Weser-Kurier selbst schrieb, aufgab und die CWA ihrem Ende zuging. Die Karriere und der Einfluss von Otto Wanz lassen sich mit heutigen Maßstäben an die Szene in Mitteleuropa nicht mehr vergleichen. „Big Otto Wanz“ war nicht nur körperlich ein wahrer Gigant, sondern ist auch einer der wenigen „Großen“ im turbulenten Wrestling gewesen, die auf Dauer in Erinnerung bleiben werden. Die Catch-Szene war und wird immer mit seinem Namen verbunden bleiben. Am vergangenen Donnerstag ist Otto Wanz im Alter von 74 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit gestorben.